Fokussiert auf Europa

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Aktuell mit knapp 5.100 hauptberuflichen Mitarbeitern in 14 europäischen Ländern aktiv, blickt die OVB Holding AG auf eine insgesamt positive Geschäfts- und Ertragsentwicklung in den ersten 9 Monaten 2016. Laut aktuellem Quartalsbericht stiegen die Gesamtvertriebsprovisionen des Konzerns demnach um 3,2 % auf 171,1 Mio. Euro. Das Geschäftsvolumen im Segment Süd- und Westeuropa legte deutlich zu, das Segment Mittel- und Osteuropa verbuchte ein leichtes Wachstum. Das Deutschlandgeschäft zeigt sich nach den ersten 3 Quartalen mit 46,3 Mio. Euro – im Vergleich zu 47,4 Mio. Euro im Vergleichs-zeitraum 2015 – leicht rückläufig. Im Interview sprach finanzwelt mit OVB Vorstand Mario Freis über Strategie und Vertriebsphilosophie des Kölner Mutterkonzerns.

finanzwelt: Ihre aktuellen Geschäftszahlen legen nahe, dass Sie mit dem grenzüberschreitenden Geschäftsmodell Ihres Hauses offenkundig einen soliden Kurs fahren. Ungeachtet dessen sehen sich im Besonderen europaweit agierende Finanzvertriebe großen Herausforderungen gegenübergestellt. Könnten da insbesondere regulatorische Veränderungen in einzelnen Ländermärkten die Wachstumsdynamik des OVB Konzerns nicht noch empfindlich dämpfen?

Freis: Natürlich kann sich eine übertriebene und unsachgemäße Regulierung negativ auf unsere Wachstumsdynamik auswirken. OVB unterliegt jedoch bereits heute europaweit ständigen regulatorischen Veränderungen. Wir wollen solide, langfristig und profitabel wachsen. Eines der größten Risiken stellt dabei ein sich veränderndes regulatorisches Umfeld dar. Uns helfen unsere Erfahrungen im Umgang mit der Regulierung in einzelnen Märkten, die wir oftmals auf andere übertragen können. Ein klarer Vorteil, um schnell, effektiv und sachgerecht zu reagieren, sich also im Wettbewerbsumfeld strategisch richtig zu positionieren. Nach unserer Ansicht wird das im zukünftigen Wettbewerb von entscheidender Bedeutung sein.

Im Übrigen: Regulierung ändert nichts an den Bedürfnissen der Kunden. In ganz Europa droht eine sinkende Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme und damit das Entstehen von Versorgungslücken bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung nimmt zu: einerseits durch eine niedrige Geburtenrate, zum anderen durch eine höhere Lebenserwartung. Qualifizierte Finanz- und Vorsorgeberatung wird demnach mehr denn je gefragt sein.

finanzwelt: Bei 14 Ländern mit recht unterschiedlichen Rahmenbedingungen: Wäre im Falle des Falles eine verstärkte Selektion auf ausgewählte Länder in Europa bzw. ein Rückzug aus einzelnen Ländern nicht grundweg denkbar?

Freis: Bereits zu Beginn der 1990er Jahre hat OVB damit begonnen, sich aus Deutschland heraus zu internationalisieren und das Geschäftsmodell frühzeitig, konsequent und erfolgreich in chancenreiche Wachstumsmärkte zu exportieren. Unsere Internationalität, die keiner unserer Wettbewerber in dem Maße vorzuweisen hat, ist unsere wesentliche Stärke und damit natürlich ein wesentliches strategisches Handlungsfeld unserer zukünftigen Ausrichtung. Wir werden dabei zweigleisig fahren: Zum einen werden wir uns darauf konzentrieren, unsere Position in bestehenden Märkten weiter auszubauen. Zum anderen wollen wir unser Geschäftsmodell, wenn Zeitpunkt und Rahmenbedingungen stimmen, auch in neue, aussichtsreiche Märkte übertragen. Ein Rückzug aus einzelnen Ländern ist nicht Teil unserer strategischen Ausrichtung.

finanzwelt: Ob nun Regulierung, Digitalisierung, Prozessoptimierung oder auch Produktwarenkorb: Die Anforderungen, denen sich Finanzvertriebe jedweder Couleur gegenübersehen, sind enorm. Wie will sich OVB hier weiter behaupten?

Freis: Die Basis unseres Geschäftsmodells ist und bleibt die international bewährte, themenübergreifende Allfinanzberatung. Nach unserer Überzeugung benötigt der Kunde bei komplexen, erklärungsbedürftigen Allfinanzkonzepten auch in der Zukunft eine individuelle und persönliche Beratung. Online-Recherchen und Selbststudium versetzen die Verbraucher nicht in die Lage, weitreichende Entscheidungen für die persönliche Absicherung und Altersvorsorge zu treffen und diese – abhängig von der Lebensphase – regelmäßig zu überprüfen. OVB setzt dabei seit Jahren bereits bevorzugt auf sachwertorientierte Anlageformen. Nicht ohne Grund betragen fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung und das Direktinvestment in Misch- oder Aktienfonds, ob als Sparplan oder Einmalanlage, rund 60 % unseres Neugeschäfts. Und im Bereich der Baufinanzierung können unsere Kunden zudem von den niedrigen Zinsen profitieren. In den Themen Prozessoptimierung und Digitalisierung sehen wir wichtige strategische Handlungsfelder, um weiterhin Effizienzsteigerungen realisieren zu können und auf ein sich veränderndes Kunden-verhalten reagieren zu können. Derzeit richten wir unsere Unternehmensstrategie auf diese zukünftigen Markterfordernisse aus.

finanzwelt: Stichwort Online-Recherchen: Inwieweit stellen Sie in der jüngsten Vergangenheit eine Veränderung beim Verbraucher fest? Wird die Bedeutung von Insur- bzw. FinTechs in den kommenden Jahren im Zuge dessen nicht entscheidend zunehmen?

Freis: Auch vor dem Hintergrund eines zunehmend hybriden Kundenverhaltens sind wir der Meinung, dass sich an der Notwendigkeit persönlicher Beratung auch in Zukunft und im Rahmen einer digitaleren Welt nichts grundsätzlich ändern wird. Untermauert wird unsere Einschätzung zum Thema dabei gleich durch mehrere Studien. Eine aktuelle Auswertung des internationalen Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov etwa belegt, dass die persönliche Beratung zu Versicherungsprodukten in vielen Märkten immer noch die Vertriebswege klar dominiert und dass 79 % der 20 bis 40-Jährigen die persönliche Beratung in Büros oder Geschäftsstellen oder zu Hause durch einen Vermittler bevorzugen. Nichtsdestotrotz richten wir uns auch zu diesem Thema konsequent auf Kundenbedürfnisse jedweder Art aus. Dies gelingt, indem wir uns im Rahmen des Beratungs- und Betreuungsprozesses die Digitalisierung zu Nutze machen, um unsere Stärke – den persönlichen, vertrauensvollen Kontakt zu unseren Kunden – mit den aktuellen technischen Möglichkeiten prozessoptimiert zu verbinden. Die am Markt agierenden Fin- und InsurTechs beobachten wir dabei mit großer Aufmerksamkeit. Wir setzen uns mit ihren Geschäftsmodellen auseinander und prüfen, ob sie für uns im Einzelfall eine sinnvolle Ergänzung sein könnten. Kooperationen schließen wir grundsätzlich nicht aus, sofern diese für beide Seiten zielführend sind.

finanzwelt: Abschließend gefragt: Inwieweit ist der klassische Nebenberufler aufgrund Regulation und Qualifikationsanforderungen noch im Fokus Ihrer Suche?

Freis: Unsere Finanzvermittler, die aus verschiedensten Branchen kommen und bei uns in der Regel zweitberuflich – neben ihrem Hauptberuf – starten, arbeiten wir umfassend ein und bilden sie nach dem, im jeweiligen Land geforderten Standard aus. Das Thema „Gewinnung, Ausbildung und Bindung von Finanzvermittlern“ ist eines unserer wesentlichen strategischen Handlungsfelder im Rahmen unseres Strategieprozesses. Wir werden das Thema Aus- und Weiterbildung – nicht nur aufgrund der regulatorischen Anforderungen – weiter forcieren und europaweit noch systematischer nach einheitlichen Grundstrukturen ausrichten. Weitere Elemente, um Finanzvermittler für eine Tätigkeit bei OVB zu gewinnen und sie dauerhaft an uns zu binden, sind eine transparente Vertragsgestaltung, ein wettbewerbsfähiges Vergütungsmodell und internationale Karrieremöglichkeiten. Insofern ist und bleibt der wichtigste Faktor für unseren wirtschaftlichen Erfolg und zukünftiges Wachstum die Gewinnung und dauerhafte Bindung einer ausreichenden Zahl engagierter und kompetenter Finanzvermittler. Nur so können wir die Nachfrage nach individuellen Absicherungs- und Vorsorgekonzepten abdecken. (sf)